Zero Waste your Life – Wie weniger Müll dich bereichern kann
Nachhaltigkeitsprofi Sandra Tomašević gibt einen Einblick in die Kreislaufwirtschaft und Zero Waste.
Sie gibt praktische Tipps zur Abfallvermeidung und zeigt, wie man in kleinen Schritten nachhaltiger leben kann.
Sandra, du beschäftigst dich in deinem Beruf mit der Ressourcenwende und wie wir Kreislaufwirtschaft umsetzen können. Jetzt mal Hand aufs Herz … lebst du komplett Zero Waste?
Nein, das tue ich nicht und diesem Anspruch zum jetzigen Zeitpunkt gerecht werden zu können, ist leider noch sehr schwierig für Endverbraucher:innen. Zero Waste und selbst ressourcenschonender Konsum sind eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Ich versuche im privaten Bereich so viel Abfall wie möglich zu vermeiden. Während meines Studiums beispielsweise, als ich einen Unverpackt-Laden direkt vor der Tür hatte, konnte ich das Prinzip besonders gut umsetzen. Der gelbe Sack war damals nur alle vier Monate voll und meine Restmüll-Tonne musste ich nur 1-2mal im Jahr leeren. Leider habe ich aktuell keinen Unverpackt-Laden mehr in meiner Nähe, was mich leider wieder etwas zurückwirft.
Wie startet man am besten mit Zero Waste?
Ich empfehle mit kleinen Schritten zu starten und kontinuierlich alltägliche Prozesse anzupassen. Müllvermeidung beginnt direkt bei dir Zuhause. Es macht daher Sinn, alle Räume in der Wohnung einmal abzulaufen und auf Möglichkeiten zur Müllreduzierung zu prüfen. Im Badezimmer bin ich beispielsweise von Shampooflaschen auf feste Seifen umgestiegen. Diese Seifen sind zudem oft in Papier verpackt, das gut recycelt werden kann. Es gibt auch viele nachhaltige Alternativen zu Einweg-Hygieneprodukten, wie z.B. Rasierer aus Edelstahl, waschbare Wattepads, Menstruationstassen, Menstruationsunterwäsche oder Stoffbinden. Diese Produkte helfen, den Einwegmüll zu minimieren. Da kommt man mit kleinen Kniffs und Tricks schon weit. Wichtig ist zu verstehen, wie mächtig die eigene Gewohnheit ist und sich bei Kaufentscheidungen auch immer wieder daran zu erinnern.
Wie stehst du zum Thema Kleidung? Kaufst du Second-Hand oder generell einfach weniger?
Ich setze auf Second-Hand-Kleidung, Reparaturservices und weniger Konsum. Wenn ein Pulli mal ein Loch hat, nähe ich es selbst oder bringe ihn zur Schneiderin oder zum Schneider. In Berlin beispielsweise gibt es viele Reparaturservices, die über den A-Gain Guide gefunden werden können. So kann ich meine Kleidungsstücke länger nutzen. Ich bin außerdem ein großer Fan von Kleidertausch-Partys. Ich trage zum Beispiel gerade eine Hose von einer Kollegin und ein Oberteil von einer Freundin, die sie aussortiert haben. Du siehst, man kann da auch ein cooles soziales Event daraus machen. Mir hat übrigens auch einmal jemand gesagt, dass Second-Hand für ihn “pre-loved” Kleidungsstücke sind. Solche neuen Begriffe erschaffen für mich auch eine Wertigkeit von vermeintlich alten Dingen und beweist, dass “Alt” nicht gleich “Müll” sein muss.
Und Lebensmittel? Gehst du täglich auf den Wochenmarkt?
Schön wär’s, aber dafür fehlt mir leider die Zeit (lacht). Ich bin stattdessen Mitglied in einer Solidarischen Landwirtschaft, um Abfall bei der Lebensmittelbeschaffung zu reduzieren. Das ermöglicht mir, wöchentlich unverpacktes, regionales und saisonales Obst und Gemüse zu erhalten. Zudem helfe ich mehrmals im Jahr auf dem Hof in Brandenburg aus und weiß daher genau, woher mein Gemüse und Obst kommen. Ich spare dadurch nicht nur Verpackungsmüll ein, sondern unterstütze damit auch den regionalen Betrieb. Du siehst an diesem Beispiel erneut, dass Zero Waste mehr als nur Abfallvermeidung sein kann: In diesem Fall schafft es auch soziale Begegnungen, fördert bewusste und gesunde Ernährung sowie körperliche Aktivitäten in der Landwirtschaft.
Wie gelingt Zero Waste unterwegs? Hast du da Tipps?
Eine gute Gewohnheit ist es, immer eine Tupperdose/Mehrweg-Box, einen Strohhalm aus Glas oder einen auffüllbaren Becher dabei zu haben. Der Stoffbeutel mit den Sachen hängt bei mir an der Eingangstür und den kann ich ganz easy mitnehmen. So kann ich unterwegs Einwegmüll vermeiden, indem ich Restaurants bitte, mein Essen in meine Tupperdose zu füllen. Dank der neuen Mehrwegangebotspflicht sind Gastronomiebetriebe außerdem seit 2023 dazu verpflichtet, Mehrwegbehälter für Außer-Haus-Verzehr anzubieten. Am besten ist allerdings, im Restaurant sitzen zu bleiben und sich bewusst Zeit für seine Mahlzeit zu nehmen. Das reduziert nicht nur Müll, sondern auch Stress.
Führt weniger Waste auch zu weniger Stress?
Ja, das passiert zwangsläufig. In unserer konsumorientierten To-Go-Gesellschaft sind wir alle irgendwie immer auf dem Sprung. Das aktive Umdenken davon lässt mich achtsamer und sensibler durch die Welt gehen. Feste Pausenzeiten im Kalender einzuplanen z.B. war für mich ein Gamechanger. Seitdem esse ich bewusst und ohne Eile. Das trägt dazu bei, den Konsum zu reduzieren und den Moment des Essens mehr zu schätzen.
Sandra, wie bleibt man dran am Zero Waste-Lifestyle?
Es ist ein Prozess, sich aus dem Gewohnten und Erlernten zu befreien. Das ist nicht leicht, da wir bedauerlicherweise Müll in unserer Gesellschaft normalisiert haben. Zudem liegt neben unseren Individualentscheidungen natürlich die Hauptverantwortung für ein gesamtgesellschaftliches Gelingen bei Politik und Wirtschaft. Für alle, die aber jetzt schon ihr Verhalten ändern möchten, nicht mehr nur abwarten und zusehen wollen: Es hilft, sich für kleine Fortschritte zu loben – ob es der Mehrwegbecher für Kaffee, der weggelassene Strohhalm, die Menstruationstasse anstelle des Tampons, die Kernseife oder die Pommes To-Go ohne Plastikgabel ist. Jede noch so kleine Maßnahme bringt dich in deinem persönlichen Prozess weiter und inspiriert im Idealfall auch Menschen in deinem Umfeld zu einem bewussteren Konsumverhalten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person: Sandra Tomašević ist Profi in Sachen Nachhaltigkeit. Sie arbeitet als Projekt-Managerin für die gemeinnützige Organisation ProjectTogether, die sich auf sozial-ökologische Themen konzentriert und durch ihre Mission „Circular Futures“ die Kreislaufwirtschaft fördert. Die Initiative bringt verschiedene Stakeholder zusammen, um gesellschaftliche Veränderungen in Bereichen wie regenerative Landwirtschaft, Migration und Verwaltungstransformation zu unterstützen.
Sandra Tomašević ist Profi in Sachen Nachhaltigkeit. Copyright: Samuel Groesch
Nützliche Links zu Websites, die beim Zero Waste-Lifestyle unterstützen:
● Gebrauchtwarenkaufhaus NochMall: www.nochmall.de - Hier kann man nicht nur alte Sachen abgeben, sondern auch in Repair Cafés lernen, wie man Stücke repariert.
● Unverpackt Läden: Original Unverpackt – Finde unverpackte Produkte in Berlin.
● Abholservice von Altkleidern: Recyclehero - Direkt vor der Haustür Altkleider abholen lassen.
● Repair-Map: A-Gain Guide - Finde Reparaturservices in deiner Nähe.
● Mehrweg-Reporter: Mehrwegmap - Wo gibt es Mehrwegbehältnisse für den To-Go-Verzehr.
● Einmal ohne bitte: Verpackungsfreie Einkaufsmöglichkeiten - Entdecke verpackungsfreie Einkaufsmöglichkeiten.
● Litterpicker: Litterpicker - Eine zivilgesellschaftliche Initiative, die wöchentlich Müll aufsammelt
● Haus der Materialisierung: Haus der Materialisierung informiert zum Thema Kreislaufwirtschaft und nachhaltiger Materialnutzung.
● Solidarische Landwirtschaft: Beim Modell Solidarische Landwirtschaft teilen sich Verbraucher:innen und Landwirt:innen gemeinsam die Verantwortung für die Produktion und Verteilung von Lebensmitteln.
Mehr Informationen und Inspirationen für ein nachhaltigeres Leben finden Interessierte in der Themenwelt grünerleben vom 17. bis 26. Januar 2025 auf der Grünen Woche.