Gut und gesund essen – so geht’s
Natalie Grahl ist Ernährungsexpertin, Food-Influencerin und Autorin des Buchs „Food Check – Clever einkaufen im Lebensmitteldschungel“.
Uns gibt sie tolle Tipps und analysiert die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage zum Thema Lebensmitteleinkauf
Interessieren sich die Konsument:innen heutzutage für eine gesunde Ernährung?
Für mich kristallisieren sich zwei Gruppen heraus. Die einen, die es für übertrieben halten, Gesundheit und Ernährung in Verbindung zu bringen. Für sie muss das Essen schmecken und gut aussehen. Die anderen, die das Thema überdenken und sich mit Lebensmitteln beschäftigen. Sie setzen nicht auf Masse, sondern auf Qualität, vor allem auch beim Fleischeinkauf. In den sozialen Medien wird deutlich, dass chronische Erkrankungen zunehmen. Gerade die Betroffenen denken mehr und mehr über ihre Ernährung nach.
Bedeutet das, dass soziale Medien das Bewusstsein für gesunde Ernährung schärfen?
Ja und nein. Denn über Social Media wird auch für viel Verwirrung gesorgt. Wenn jemand schreibt, Haferflocken seien ungesund, dann glauben das einige User. Vielmehr habe ich festgestellt, dass ein Verbraucher seine Ernährung erst nach einem bestimmten Ereignis überdenkt, beispielsweise wenn ein gesundheitliches Problem auftaucht.
Haben Sie ein besonderes Ernährungskonzept entwickelt?
Ich gebe keine bestimmte Richtung vor und pauschalisiere nicht. Jemand, der regelmäßig Yoga betreibt, ernährt sich nicht automatisch gesund. Und jemand, der sich viel bewegt, benötigt andere Nährstoffe als jemand, der den ganzen Tag sitzt. Jeder Körper und jeder Lebensumstand sind individuell. Ich betrachte das Thema Ernährung ganzheitlich. Deshalb halte ich auch nichts von Verboten, sondern mehr von Geboten.
Mein Tipp lautet: Esst pro Tag rund 80 Prozent Lebensmittel, die möglichst unverarbeitet sind, dazu gehören zum Beispiel frisches Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte und bei Bedarf ein qualitativ hochwertiges Steak oder Hühnerfilet aus biologischer Haltung. Und gönnt euch, wenn ihr möchtet, täglich eine Kleinigkeit Fun Food. Also einen Joghurt, Eis oder ein Stück Schokolade.
Welche Nahrungsmittel stufen Sie als gesund ein?
Je weniger ein Nahrungsmittel verarbeitet ist und je weniger Zusatzstoffe es enthält, desto gesünder ist es. Gemüse und Obst sind beispielsweise unverarbeitet, auch in Form von Tiefkühlkost. Wurstwaren, aber auch vegane Produkte wie fleischfreie Burger, gehören für mich nicht zur gesunden Kategorie. Ein wichtiger Aspekt beim Fleischkonsum zum Beispiel ist das Futter, das die Tiere selber verzehrt haben. Wild zum Beispiel frisst frisches Gras, Eicheln oder andere Waldfrüchte. Deshalb ist Wildfleisch auch sehr hochwertig.
Das heißt also nicht, wer sich vegan ernährt, isst automatisch gesund?
Ich habe den veganen Trend zwei Jahre lang inklusive hochverarbeiteter Ersatzprodukte mitgemacht. Meine Ernährung fühlte sich für mich gegenüber den „normalen“ Konsumenten, die auch tierische Produkte aßen, deutlich gesünder an. Aber tatsächlich enthalten viele vegane Produkte Farb- und Zusatzstoffe, die im Labor hergestellt werden. Von daher stufe ich viele fleischlose Alternativen als unnatürlich, hochverarbeitet und Labor pur ein.
Natalie Grahl ist Ernährungsexpertin, Food-Influencerin und Autorin des Buchs „Food Check – Clever einkaufen im Lebensmitteldschungel“. Uns gibt sie tolle Tipps und analysiert die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage zum Thema Lebensmitteleinkauf. Copyright: Natalie Grahl
In unserer Civey-Umfrage erklärten 75 % der Befragten, beim Einkauf nicht auf den Eiweißgehalt in Lebensmitteln zu achten. Ist es den meisten noch immer egal, ob ihre Lebensmittel genügend Nährstoffe enthalten?
Ich nehme an, das Ergebnis wird auch durch das durchschnittliche Alter der Befragten beeinflusst. In den sozialen Medien sind es vor allem 18- bis 45-Jährige, vielfach Fitnesstreibende, die sich für proteinreiche Nahrungsmittel interessieren. Für mich sind andere Nährstoffe mindestens genauso wichtig.
Welche sind das und welche Funktionen haben sie?
Eiweiß ist für den Muskel- und Gewebeaufbau wichtig. Deshalb sollte der Eiweißbedarf individuell an den Menschen angepasst werden. Je nachdem, wie intensiv er sich bewegt oder in welchen Umständen, zum Beispiel bei einer Schwangerschaft, die Person ist. Für mich sind vor allem gute Fettquellen unerlässlich.
Welche Fettquellen wären das?
Das sind vor allem Lebensmittel, die Omega-3-Fettsäuren enthalten. Diese Fette wirken tendenziell entzündungshemmend. Omega 3 findet sich zum Beispiel in Algenöl, Fisch, Leinöl oder Chiasamen, wobei ich kaltgepresstes Leinöl mit einem Zusatz von Algenöl favorisiere. Omega 6, welches beispielsweise in Sonnenblumenöl enthalten ist, wirkt tendenziell entzündungsfördernd. Deshalb würde ich das auf alle Fälle reduzieren. Bei der Zuführung von Omega 6 und 3 ist vor allem das richtige Verhältnis entscheidend. Optimal wäre ein Verhältnis von drei Teilen Omega 6 zu einem Teil Omega 3. Bei den meisten ist das Verhältnis allerdings 25 zu eins. Das ist an Omega-6-Fettsäure einfach zu viel. Ich nutze zum sanften Braten zum Beispiel kaltgepresstes Olivenöl. Für höhere Temperaturen empfehle ich Butterschmalz, also Ghee, oder Kokosöl nativ.
Wird es eines Tages darauf hinauslaufen, dass die Konsumenten ganz auf tierische Produkte verzichten?
Nein, das glaube ich nicht. Ich empfehle, ganz bewusst ausgewählte tierische Produkte zu kaufen, zum Beispiel frische Freilandeier.
Wo stellen sich den Verbraucher:innen Herausforderungen beim Lebensmitteleinkauf?
Verbraucherinnen und Verbraucher sind vielfach überfordert, denn die Nährwertinformationen auf den Packungen sind nicht transparent genug. Es gibt zu viele Siegel und zu wenig klare Linien. Zum Beispiel der Nutri-Score. Dieser soll eine Übersicht über den Nährwertgehalt von Produkten geben. Aber er ist irreführend. Wenn etwa eine Tiefkühlpizza den Nutri-Score A erhält, dann wurde dieses Produkt ausschließlich mit anderen Tiefkühlpizzen verglichen. Aber dadurch ist eine Tiefkühlpizza mit dem Nutri-Score A doch nicht wirklich nährstoffreich.
Wie wichtig ist Ihnen Regionalität?
Regionale Lebensmittel sind gut, weil sie durch ihre kurzen Transportwege die Umwelt nicht allzu sehr belasten. Aber es heißt nicht, dass sie gesünder sind.
Was sind Ihre Ernährungs- und Einkaufsformeln?
Greifen Sie zu unverarbeiteten frischen Produkten mit vielen Ballaststoffen. Prüfen Sie Ihre Getränkeauswahl. Bei uns gibt es nur Wasser. Hülsenfrüchte wie Linsen sind wichtige Proteinquellen. Bieten Sie Ihren Kindern statt Lollis selbst gemachtes Eis an, das Sie aus Himbeeren, ein bisschen Dattelsüße und Sahne herstellen. Und wenn man den Preis für Bioprodukte nicht zahlen möchte, legt man sein Gemüse und Obst 15 Minuten lang in ein Gemisch aus Wasser und Natron. Dadurch können mögliche Rückstände von Pflanzenschutzmitteln auf der Schale reduziert werden.
Abspann:
„Dieses Interview und weitere spannende Geschichten über Menschen aus der Landwirtschaft finden Sie auf der Website und im Magazin Stadt.Land.Wissen unseres Kooperationspartners Forum Moderne Landwirtschaft: Magazin - Moderne Landwirtschaft (moderne-landwirtschaft.de)
Natalie Grahl ist Ernährungsexpertin, Food-Influencerin und Autorin des Buchs „Food Check – Clever einkaufen im Lebensmitteldschungel“. Copyright: Natalie Grahl