Akzeptanz und Vielfalt bei der Adelsparade
Unter den 144 Produktköniginnen und -königen, die für ihre landwirtschaftlichen Produkte und Regionen werben, finden sich so einige spannende Persönlichkeiten.
Wenn man längere Zeit mit gezückten Smartphones nebeneinander an einer Absperrung steht, kommt man ins Gespräch. Sabine Werb wartet auf den Auftritt ihrer Tochter. Anna-Lena Werb ist Weinprinzessin vom Abt-Degen Weintal. Bei der Internationalen Grünen Woche ist sie Teil der 144 Produktköniginnen und – könige, die mit ihren hoheitlichen Auftritten für ihre Regionen werben und Produkte aus allen Agrarbereichen repräsentieren.
Da gibt es zum Beispiel die Abensberger Spargelkönigin, die Hessische Milchkönigin, die Holunderkönigin oder die Holzländer Bierkönigin. Anna-Lena Werb steht als Prinzessin für das Abt-Degen Weintal – seit vier Jahren. Grund dafür war, dass es Pandemie bedingt entweder keine Wahlen oder keine anderen Bewerberinnen und Bewerber gab. „Wenn ich nicht weitergemacht hätte, wäre das Amt vielleicht eingeschlafen“, erzählt Anna-Lena Werb. Das wollte sie nicht. „Unser Gebiet wird oft unterschätzt“, sagt sie. „Ich finde es wichtig, die Produkte unserer kleinen Region zu repräsentieren.“ Dabei hat sie mit ihrer Ausbildung zur Elektronikerin für Automatisierungstechnik durchaus andere Dinge zu tun.
Klischees haben ausgedient
Eine Elektronikerin passt so gar nicht in das Klischee, das man von einer Produktkönigin im Kopf haben könnte. Die Arbeitsgemeinschaft Deutsche KönigInnen e. V., die am 31. Januar 2023 ihren 20. Geburtstag feiert, bietet mehr Vielfalt als es auf den ersten Blick scheint. So fanden sich unter den zahlreichen Hoheiten auch ein paar Männer, darunter der Thüringer Olitätenkönig oder der „Schwule Lüneburger Heidekönig“ Ben Rejmann.
In seinem rot-weiß melierten Wollpullover, mit Jeans und weißen Turnschschuhen fällt der 17. Lüneburger Heidekönig Ben Rejmann in dem Meer aus glitzernden Kleidern besonders auf. Als dekorative und rhetorisch gewandte Begleiterin hat er sich „Isabelle Ankauf von Gold“ mitgebracht, die sich selbst liebevoll seine „Adjutunte“ nennt. „Akzeptanz und Vielfalt sind nicht die klassischen Agrargüter, aber wir säen sie da, wo wir können“, sagt Isabelle, im bürgerlichen Leben Eike Kuhse.
Im Jahr 2000 rief die Aidshilfe Lüneburg den „Schwulen Heidekönig“ ins Leben, um das Thema HIV in den Fokus zu rücken. Heute vertritt der Lüneburger Heidekönig die queere Community. Ein regionales Produkt gehört aktuell noch nicht zur Repräsentanz. „Wir arbeiten aber daran“, sagt Dirk Ahrens, einst 13. Lüneburger Heidekönig. Inzwischen ist Ahrens als Engagierter in der queeren Szene in und um Lüneburg Organisator der Wahl zum Lüneburger Heidekönig, die in diesem Jahr ihr zehnjähriges Jubiläum feiert – genau wie die Parade der Produktrepräsentanten auf der Grünen Woche. Seit 2013 ist die Arbeitsgemeinschaft Deutsche KönigInnen e. V. bei der Internationalen Grünen Woche dabei. Als Ben Rejmann und Isabelle Ankauf von Gold fast als letztes Duo aus der langen Schlange hervorvortreten, um Joachim Ruckwiek, Präsident des Deutschen Bauernverbandes die Hand zu geben, klatschen die zahlreichen schaulustigen Messegäste, die sich beim Forum Moderne Landwirtschaft in Halle 3.2 eingefunden haben, begeistert. „Wir bekommen so viel positives Feedback. Das ist echt erstaunlich“, freut sich Ben Rejmann.