Veranstalter / Organizers:
Messe Berlin
Datum der Veranstaltung:
17-26 Jan 2025
Internationale Grüne Woche
17-26 Jan 2025

Presse-Information

Grüne Woche 2023: GFFA für krisenfeste und klimafreundliche Ernährungssysteme weltweit

Global Forum for Food and Agriculture (GFFA): Rund 70 Agrarministerinnen und Agrarminister verabschieden Kommuniqué zur Transformation der weltweiten Ernährungssysteme.

Klimawandel, Artensterben, die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine: Durch diese sich gegenseitig verstärkenden Krisen droht der Weltgemeinschaft derzeit die größte globale Nahrungsmittelkrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Schon heute hungern rund 828 Millionen Menschen, und knapp ein Drittel der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu sicherer, ausreichender Nahrung. Höchste Zeit also, die Agrar- und Ernährungssysteme so umzugestalten, dass sie externen Schocks widerstehen und dabei gleichzeitig das Klima und die biologische Vielfalt schützen. Wie diese Transformation gelingen kann, wurde im Rahmen der Internationalen Grünen Woche auf dem 15. Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) beleuchtet. Rund 2.000 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutierten vom 19. bis 21. Januar auf drei High Level Panels und in 16 Fachpodien über zukunftsfähige Strategien zur Ernährungssicherung vor dem Hintergrund multipler Krisen. Inspiration hierfür lieferten ihnen neben der GFFA-Innovationsbörse, dem GFFA Science Slam und dem Junglandwirteforum die Beiträge der mehr als 80 Podiumsgäste.

„Das Recht auf Nahrung hat in den vergangenen Jahren in internationalen Foren zunehmend Anerkennung erfahren“, betonte Michael Fakhri, der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung, zu Beginn der dreitägigen Veranstaltung. „Was wir jetzt dringend brauchen ist die Verpflichtung, dieses Recht auch umzusetzen.“ Auf nationaler Ebene könne dies beispielsweise über die „national pathways“ zur Transformation der Ernährungssysteme geschehen, zu denen sich mehr als 110 Länder nach dem Ernährungsgipfel der Vereinten Nationen (UN Food Systems Summit) im September 2021 entschlossen haben. Für die Umsetzung auf internationaler Ebene fehle allerdings trotz der akuten Ernährungskrise noch immer ein abgestimmter Kooperationsplan, kritisierte Fakhri und forderte die Staatengemeinschaft auf, hier ihrer Verpflichtung nachzukommen.

„Wir müssen die Machtverhältnisse ändern und Landwirte ins Zentrum unserer Ernährungspolitik stellen“, sagte die Generalsekretärin der Asian Farmer’s Association for Sustainable Rural Development (AFA), Estrella Penunia. Vor allem Kleinbäuerinnen und Kleinbauern bräuchten ein verbrieftes Recht zur Nutzung von Wasser und Land, Wäldern und Saatgut. Ihre Marktmacht müsse gestärkt werden, damit sie bei Preisverhandlungen mit Unternehmen als gleichwertige Partner agieren können. Produktionssysteme wie die Agrarökologie und die regenerative Landwirtschaft sollten gefördert werden, da sie nicht nur die Biodiversität erhöhen, sondern auch das traditionelle Wissen der Bäuerinnen und Bauern nutzen und diese zu zentralen Akteuren nachhaltiger Innovationen machen.

„Wir haben keinen Planeten B“, mahnte Jason Clay, Senior Vice President Markets beim World Wildlife Fund (WWF-US). Wenn es gelingen soll, in 15 Jahren eine Weltbevölkerung von neun Milliarden Menschen zu ernähren, müssten die landwirtschaftliche Produktivität gesteigert, die Effizienz des Betriebsmitteleinsatzes erhöht und die Produktion diversifiziert werden. Vor allem aber müssten die organische Bodensubstanz gefördert und degradierte Böden wieder fruchtbar gemacht werden, so Clay. Nachhaltig und in der gebotenen Eile ließe sich all dies nur umsetzen, wenn Informationen und Wissen geteilt werden und die Regierungen weltweit miteinander kooperieren.

Genau diese Kooperation hat Albanien im vergangenen Jahr geholfen, die ausbleibenden Getreidelieferungen aus der Schwarzmeerregion aufzufangen. Dem kleinen Balkanstaat, in dem die Landwirtschaft 18 Prozent des Bruttonationalprodukts stellt und ein Drittel der Bevölkerung ernährt, ist es durch kurzfristige Kooperationsvereinbarungen mit seinen Nachbarstaaten gelungen, die inländische Versorgung mit Weizen und Mais sicherzustellen. „Zudem haben wir die Haushaltsmittel zur Unterstützung der Landwirtschaft um ein Drittel erhöht“, berichtete Albaniens Ministerin für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Frida Krifca, auf dem High Level Panel der EU-Kommission.

Den freien Handel und offene Märkte zu fördern, sieht auch Murray Watt, Minister für Landwirtschaft, Fischerei und Forstwirtschaft in Australien, als wichtige Maßnahme, möglichen Schocks in Agrarlieferketten zu begegnen. In den vergangenen zwei Jahren haben die Landwirte des Nettoagrarexporteurs die Auswirkungen des Klimawandels mit voller Wucht zu spüren bekommen. Als Reaktion hätten sich die Rinder- und Schafzuchtbetriebe unter anderem zum Ziel gesetzt, bis 2030 CO2-neutral zu werden. „Wir müssen umweltfreundlich wirtschaften und gleichzeitig die Rentabilität der Betriebe erhalten“, erklärte Watt den nötigen Spagat. Über gesetzliche Regelungen, innovative Produktionsmodelle und Partnerschaften mit den Landwirten sollen unter anderem mehr Flächen aufgeforstet und Kohlenstoffsenken geschaffen werden.

In der EU soll die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) für die entsprechenden Anreize sorgen. 307 Milliarden Euro seien für die GAP in den kommenden fünf Jahren eingestellt, 40 Prozent davon seien für Klima- und Umweltschutzmaßnahmen vorgesehen, berichtete EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski. Sorge bereite ihm der rasante Strukturwandel: Zwischen 2010 und 2020 ist die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in der EU um rund drei Millionen gesunken – von zwölf auf neun Millionen. Vor allem Familienbetriebe seien vom Aussterben bedroht „Wir müssen die Lebensbedingungen in den ländlichen Räumen verbessern und Anreize schaffen, damit junge Menschen wieder in die Landwirtschaft gehen“, mahnte der Agrarkommissar.

Ein gutes Mittel hierfür sind neue Technologien. Und Wertschätzung. In den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), die nur zehn Prozent ihrer Lebensmittel selbst erzeugen, gibt es beispielsweise seit 2016 ein Ministerium für Jugend (mit einer damals 21-jährigen Ministerin). Über dessen Tisch gehen alle Gesetzesvorschläge. „Junge Menschen müssen sehen, dass sie Priorität besitzen, dass sie ihren eigenen Markt haben“, erklärte Mariam Almheiri, Ministerin für Klimawandel und Umwelt der VAE, ihre Strategie. So wurden beispielsweise die wichtigsten Großabnehmer von Lebensmitteln im Wüstenstaat – die Polizei und das Militär – zur Herkunft ihrer Lebensmittel befragt und dann überlegt, welche davon künftig von den heimischen (Jung-)Landwirten geliefert werden könnten. „Wir brauchen Innovationen nicht nur auf technologischer Ebene, sondern auch im Denken“, zeigte sich die Ministerin überzeugt.

Für nachhaltige Agrar-und Ernährungssysteme komme es vor allem darauf an, Silodenken zu überwinden und ressortübergreifend zu kooperieren, erklärte die Leiterin der Abteilung für Umwelt, Klimawandel und Gesundheit bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Maria Neira, auf dem High Level Panel von CFS und UN Nutrition. „Eine gesunde Gesellschaft ist die beste Stütze für eine gute Wirtschaft.“ Dabei sei es wichtig, gesunde Ernährung nicht als Einschränkung, sondern als Genuss zu vermitteln – zumal immer mehr Entwicklungs- und Schwellenländer nicht nur mit Unterernährung, sondern auch mit Übergewicht zu kämpfen haben.

Dies gilt auch für Chile. „Unsere Regierung ist ein Bündnis mit den wichtigsten Anbietern von Schulspeisungen eingegangen, damit sie mehr frisches Obst und mehr regionale Produkte kaufen“, berichtete Chiles Landwirtschaftsminister Esteban Valenzuela Van Treek, wie sein Land die gesunde Ernährung fördert und gleichzeitig die lokalen Produzenten unterstützt. Hinter den drei Bs bueno, bonito, barrato (gut, schön, preiswert) verbirgt sich ein staatliches Ernährungsprogramm, das den Verbraucherinnen und Verbrauchern zeigt, wie sie preiswert und gleichzeitig kalorienarm und schmackhaft kochen können. Ein Abkommen mit den Supermärkten soll helfen, die Lebensmittelverschwendung einzudämmen.

In vielen Ländern Afrikas südlich der Sahara treten Lebensmittelverluste an ganz anderer Stelle auf. „Die Hälfte unserer landwirtschaftlichen Erzeugung geht nicht in den Konsum, weil kein Markt in der Nähe ist und uns die Verarbeitungskapazitäten fehlen“, beklagte Kobenan Kouassi Adjoumani, Minister für Landwirtschaft und ländliche Räume von Côte d’Ivoire. Sein Land sei zwar weltweit der größte Lieferant von Kakao und Cashewnüssen, müsse den Großteil der benötigten Lebensmittel jedoch importieren. Durch den Wegfall der ukrainischen Getreidelieferungen konzentriere man sich jetzt stärker auf lokale Kulturen wie Maniok und Mais, aus denen auch Mehl hergestellt werden kann. Die um 160 Prozent gestiegenen Kosten für Betriebsmittel werden kompensiert, indem beispielsweise biologische Düngemittel zum Einsatz kommen, die im Land selbst produziert werden. „Wir haben auch viel gelernt in der Krise“, so das Fazit des ivorischen Agrarministers.

Die Kommissarin für Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, blaue Wirtschaft und nachhaltige Umwelt der Afrikanischen Union (AU), Josefa Sacko, erinnerte daran, dass nur noch sieben Jahre verbleiben, um das selbst gesteckte Ziel der internationalen Staatengemeinschaft, den Hunger bis 2030 abzuschaffen, zu erreichen. Die Afrikanische Union ist mit ihrer Agenda 2063 noch ambitionierter und hat sich hierfür das Zieljahr 2025 gesetzt. Doch nur eines der 54 Länder des Kontinents sei derzeit auf Kurs. „Wir brauchen die Erfahrungen der westlichen Länder, um uns auf diesem Weg zu unterstützen“, sagte die AU-Kommissarin und betonte den Wert des GFFA als Forum für den internationalen Austausch.

Mit der 15. Berliner Agrarministerkonferenz, zu der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir rund 70 Amtskolleginnen und -kollegen aus aller Welt sowie Vertreterinnen und Vertreter von elf internationalen Organisationen begrüßte, fand das GFFA seinen prominenten Abschluss. Der Minister verurteilte noch einmal aufs Schärfste den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die dadurch ausgelöste weltweite Ernährungsunsicherheit. Zugleich betonte er die Notwendigkeit, weg vom kurzfristigen „Krisenhopping“ hin zu langfristigen Lösungen zu gelangen. In diesem Zusammenhang begrüßte er auch die Unterzeichnung der Absichtserklärung für einen Agrarpolitischen Dialog mit der Afrikanischen Union, der für eine enge Zusammenarbeit Deutschlands und Afrikas in allen Fragen der Transformation der Ernährungssysteme sorgen soll.

In ihrem Abschlusskommuniqué verpflichteten sich die Agrarministerinnen und -minister dazu, nachhaltige, inklusive und krisenfeste Ernährungssysteme zu fördern, Lebensmittel für alle Menschen verfügbar, erschwinglich und sicher zu machen und das Ziel der Vereinten Nationen, den Hunger bis 2030 zu bekämpfen, zu verwirklichen. Unterstützt werden sollen vor allem Familien- und kleinbäuerliche Betriebe, Frauen und junge Menschen sowie marginalisierte Gruppen wie indigene Gemeinschaften und Flüchtlinge. Forschung, Innovation, Digitalisierung sowie Bildung und Beratung in der Landwirtschaft sollen verbessert werden, um die landwirtschaftliche Produktivität nachhaltig zu erhöhen und gleichzeitig zu helfen, das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens einzuhalten und den Verlust der biologischen Vielfalt einzudämmen. Zudem sprechen sich die Ministerinnen und Minister im Kommuniqué für eine verstärkte internationale Kooperation aus. Der Welternährungsausschuss der Vereinten Nationen (CFS) soll ebenso gestärkt werden wie die sektorübergreifende Zusammenarbeit im Sinne des „One-Health“-Ansatzes, der die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt im Zusammenhang betrachtet.

„Von Berlin geht heute ein deutliches Signal in die Welt: Wir wollen gemeinsam unsere Agrar- und Ernährungssysteme transformieren, um das Recht auf Nahrung für alle Menschen dauerhaft zu verwirklichen“, sagte Minister Özdemir. Dies könne nur gemeinsam in langfristigen Partnerschaften gehen, denn „Krisen machen nicht halt vor nationalen Grenzen. Darum müssen wir auch gemeinsam Lösungen finden.“ Die Ergebnisse der Agrarministerkonferenz sollen unter anderem in den Prozess des Ernährungsgipfels der Vereinten Nationen (UN Food Systems Summit) einfließen.

Das Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) wird seit 2009 im Rahmen der Internationalen Grünen Woche veranstaltet. Auf der hochkarätigen Konferenz treffen sich Expertinnen und Experten aus der ganzen Welt für drei Tage in Berlin, um über zentrale Zukunftsfragen der globalen Landwirtschaft und Welternährung zu diskutieren.

Hinweis zum Ticketshop:

Die Grüne Woche setzt dieses Jahr zum ersten Mal komplett auf Online-Tickets. Eintrittskarten können unter www.gruenewoche.de/tickets erworben werden. An den Eingängen zur Messe stehen Helpdesks zur Verfügung. Hier unterstützt Sie unser Personal vor Ort beim Erwerb des Online-Tickets.

Hinweis zur Akkreditierung:

Die Anmeldung für Pressevertreterinnen und -vertreter ist nur online möglich. Es wird keine Vor-Ort-Akkreditierung geben, sondern ist nur online über folgenden Link möglich: https://www.gruenewoche.de/de/presse/akkreditierung/

Über die Internationale Grüne Woche

Die Internationale Grüne Woche Berlin zählt bundesweit zu den traditionsreichsten Messen und zu den bekanntesten Veranstaltungen in Deutschland. Gegründet 1926 im Berlin der Goldenen Zwanziger, ist sie einzigartig als internationale Leitmesse für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau. Aussteller aus aller Welt präsentieren an zehn Veranstaltungstagen ein umfangreiches Produktangebot. Zudem gibt die IGW aktuellen gesellschaftlichen Fragen wie Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft, Ressourcenschonung und nachhaltige Landnutzung eine Bühne. Vom 20. bis 29. Januar 2023 findet die 87. Ausgabe der Grünen Woche statt. Die IGW ist Ausgangspunkt für das Global Forum for Food and Agriculture (kurz GFFA). Das GFFA ist die führende internationale Konferenz zu zentralen Zukunftsfragen der weltweiten Land- und Ernährungswirtschaft. Höhepunkt ist das Treffen von über 70 Agrarministerinnen und Ministern.

Über die Messe Berlin

Seit 200 Jahren ist Berlin Messestandort, seit vielen Jahrzehnten einer der wichtigsten weltweit. Als landeseigene Messegesellschaft konzipiert, vermarktet und veranstaltet die Messe Berlin jedes Jahr hunderte Live-Events. Der Anspruch ist es, auf allen Veranstaltungen den Besucherinnen und Besuchern ein herausragender Gastgeber zu sein, bestmögliche Geschäftsimpulse zu geben und faire Bedingungen für jede und jeden zu gewährleisten. Dieses Selbstverständnis spiegelt sich im Unternehmensmotto: Messe Berlin – Hosting the World.

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